MECHTHILD RAWERT
Diplomsozialpädagogin und Diplompädagogin, Mitglied im Deutschen Bundestag
Schwangerschaftskonflikte gehören nicht ins Strafrecht
Mit Überzeugung unterstützt die Überparteiliche Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen (ÜPFI) das Anliegen des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung nach Entkriminalisierung der Frauen beim Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft und nach der Stärkung der reproduktiven Rechte von Frauen in Deutschland.
Seit 150 Jahren ist ein Schwangerschaftsabbruch eine Straftat – und genauso lange wird die mit dem § 218 vorgenommene Kriminalisierung der Frauen massiv bekämpft. Zwar sind die Zeiten, in denen viele Frauen nach einem heimlichen Besuch bei einer „Engelmacherin“ verstorben sind, vorbei. Aber die heutige Gesetzeslage in Deutschland stigmatisiert Frauen mit dem Wunsch nach einem Schwangerschaftsabbruch noch immer.
Dabei garantiert die Europäische Menschenrechtskonvention das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK). Dazu gehört laut Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) auch die freie Entscheidung für oder gegen Kinder. Auch die UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) und die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) stärkt die Frauenrechte, über Anzahl und Altersunterschied der Kinder selbst zu entscheiden.
Für uns ist es ein gesellschaftspolitischer Skandal, dass schwangere Frauen nicht die Möglichkeit haben, eine ungewollte Schwangerschaft legal und sicher beenden zu können. Bisher stand und steht das Recht des Embryos auf Leben im Vordergrund. Die Rechte der Schwangeren auf Selbstbestimmung und auf reproduktive Gesundheit und Rechte sind nachrangig – das muss sich ändern!
Gesellschaftlich ist in Bezug auf § 218 nie Ruhe eingetreten. Das zeigt auch die große Unzufriedenheit und Empörung ob der Verurteilung einiger Ärztinnen, unter ihnen Kristina Hänel, gemäß § 219a. Gleiches gilt für den nach einem Jahr Debatte vom Deutschen Bundestag im Februar 2019 getroffenen Kompromiss über die Reform des vom NS-Regime eingeführten § 219 zum Verbot der Werbung über den Abbruch einer Schwangerschaft. Vertreter*innen der Lebenschützer*innen- und von pro Life-Gegenbewegung und die der Bewegung von Pro Choice und vieler liberaler Menschen stehen sich zunehmend unversöhnlich gegenüber – ebenso die politischen Lager.
Unser Ziel ist die Streichung der §§ 218 und 219a aus dem Strafgesetzbuch. Nutzen wir das Superwahljahr 2021: Überprüfen wir die diesbezüglichen Aussagen der Parteien. Unterstützen wir diejenigen, die mit uns wollen: Schwangerschaftskonflikte gehören nicht ins Strafrecht!